Monsieur Carnot und der Wirkungsgrad

Hand aufs Herz: Haben Sie sich mit Freunden nicht auch schon einmal über das Thema Batterieauto gestritten? Wenn die einen sagen, dass es absurd sei, den Auspuff nur zum Kraftwerk zu verlegen? Und die anderen sagen, sie würden ja aber nur Ökostrom laden? Über nichts streitet sich der Deutsche so gerne wie über Fussball und Autos. Und das tut er auch bei der CO2-Reduzierung, beim Thema der Klimaziele von Paris und der damit verbundenen, sogenannten Energiewende.

Da wird dann mal mit, mal ohne die Produktion von Anlagen und Kraftstoffen gerechnet. Mal wird der Wirkungsgrad am Getriebe, mal auf der Straße gemessen. Mal mit, mal ohne die Autoproduktion. Und oft sind hohe Werte für den Stromtransport in Studien enthalten, der im Regelfall eben nicht von der Nordsee zu den Alpen führt, sondern oft dort erzeugt wird, wo er auch benötigt wird – oft schon direkt auf dem Dach der eigenen Garage. Wenn zwei dasselbe sagen, meinen sie nicht immer auch das Gleiche.

Haben Sie die Myriaden verschiedener Studien allein zum Thema e-Mobilität über die letzten zwei Jahre verfolgt? Man möchte meinen, dass jeder seiner eigenen Studie am meisten glaubt, seinen eigenen Glauben der geneigten Öffentlichkeit zu belegen. Und leider meist weniger die wissenschaftlichen oder praktischen Tatsachen.
Dies ist der Versuch, damit etwas aufzuräumen. Und wie immer, haben alle irgendwie ein bisschen recht. Das Ergebnis dabei ist allerdings trotzdem eindeutig: Der Wirkungsgrad von direkten elektrischen Antrieben ist unschlagbar. Und das hat viel mit Physik, Monsieur Carnot und den politischen Realitäten auf unserem Globus zu tun. Aber der Reihe nach.

Ein weit verbreitetes Vorurteil

Sicher kennen Sie Elon Musk, den Shootingstar der e-Mobilität. Seine Firma Tesla Motors führt nicht nur weltweit fast alle Zulassungstatistiken seiner Klasse, weit vor BMW, Mercedes und Audi an, er fabriziert nach übereinstimmender Meinung auch das technisch ausgereifteste Produkt eines batterie-elektrischen Fahrzeugs (Buzzword: BEV, battery electric vehicle). Diverse Autohersteller haben diese Führungsrolle dereinst nicht wahrhaben wollen, wurden aber nach einer sysiphusgleichen Zerlegung eines Autos der Kalifornier eines besseren belehrt: Sie entdeckten einen Wagen, der eher einem Computer mit 4 Rädern denn einem Auto mit voll-elektronischer Steuerung entsprach. Und von diesem Zeitpunkt an schrillten die Alarmglocken laut. Übrigens wohl am lautesten in den Ohren Dieter Zetsches, der den Firmenanteil seines Stuttgarter Konzerns an der Firma Tesla noch vor Jahren verkaufte.

Aber so wie Sie die Firma Tesla kennen, schon in einem Taxi in Amsterdam oder in einem der wenigen Showrooms der Firma darin Platz nehmen durften, so kennen Sie vielleicht auch das von vielen Automobilherstellern seit vielen Jahren verfolgte Gegenmodell:

Der wasserstoff-elektrische Antrieb (Brennstoffzelle)

Das Prinzip der Brennstoffzelle

Viele Leser unter Ihnen kennen das Prinzip des “Battery Electric Vehicle” (BEV) aus ihrer Jugend, als Sie im Kinderzimmer, mit einem Handgaspedal bewaffnet, Rennwagen über schwarze Kunstoffpisten jagten.
Die klassischen Automobilhersteller haben der großen Menge der Kunden über viele Jahre der Forschung hinweg allerdings wohl nicht ganz ungewollt verschwiegen, dass ein Brennstoffzellenantrieb überhaupt nichts anderes ist. Es handelt sich bei beiden Antrieben um exakt den gleichen elektrischen Motor, der so ein HEV beschleunigt (H=hydrogen, Wasserstoff).

Der einzige Unterschied zwischen beiden Antrieben ist die Art des Energiespeichers. Während im BEV eine Batterie die im Stromnetz erzeugte Energie speichert und beim Fahren direkt in Bewegungsenergie umwandelt, verbrennt das HEV den in einem Drucktank befindlichen Wasserstoff, um daraus zunächst elektrische Energie zu erzeugen. Diese Energie wird dann in einer Batterie zwischengespeichert, bevor damit das Auto bewegt werden kann.

Sie merken schon: Ein HEV ist um einiges komplizierter, und wegen der zusätzlichen Umwandlung von Energie sowohl grundsätzlich teurer. Ein weiteres Problem der Hersteller: Ein HEV hat in aller Regel eine geringere Batterielebensdauer.
Wichtig ist zunächst aber, die höhere Komplexität des HEV Prinzips zu verstehen. Denn – und hier kommt die Physik ins Spiel – jede Energieumwandlung bedeutet Gewicht, Bauteile und hohe Verluste an Energie. Alle Zellen der hier viel kleineren Batterie (statt der knapp 100kWh im Tesla besitzen die Batterien der HEVs oft deutlich weniger als 10kWh) sind aber deshalb sehr viel stärker beansprucht – und das mögen Batterien heutiger Bauart noch überhaupt gar nicht.

Eine Auto mit Brennstoffzelle ist ein komplexeres Batterieauto, das man für einen deutlichen Aufpreis zwar deutlich schneller tanken könnte (sofern die Infrastruktur einmal vorhanden sein wird). Dafür zahlt man jedoch nicht nur mit einem höheren Anschaffungs- und Treibstoffpreis, sondern auch mit einer geringeren Zuverlässigkeit.

Beide Technologien sind ausgreift und heute am Markt erhältlich. Welche wird sich durchsetzen? Und was ist mit den oft genannten e-Fuels, also der katalytischen Produktion von kohlenstoffhaltigen Flüssigkeiten durch regenerative Energien? Wie erzeugt man Wasserstoff eigentlich, und was kann man daraus machen? Dazu müssen wir eine physikalische Größe besser verstehen:

Der Wirkungsgrad

Bei jeder Energieumwandlung geht ein Teil der eingesetzten Energie verloren. Wenn es nicht so wäre, bräuchte man keinen Treibstoff, und würde der Wasserboiler im Keller niemals kalt. Daher definiert man für die Umwandlung von Energie den sogenannten Wirkungsgrad. Er beschreibt das Verhältnis von erhaltener Energie zur dafür eingesetzten Energie und wird in Prozent angegeben. Beispiel: Ein Generator setzt 40% der in seine Turbine geführten Wärmeenergie in Bewegung um. Dann sind 60% der Energie verloren – in der Regel in Form von Umgebungswärme oder mechanischen Verlusten.
In einem Kraftwerk multiplizieren sich immer viele Wirkungsgrade miteinander – und nur selten erzielt man dabei Gesamtwirkungsgrade von mehr als 50%. Typisch sind eher 35-45%.

Das bedeutet, dass in fossilen Kraftwerken mehr als die Hälfte der Energie der Kohle oder des Erdgases ohne Nutzen verpufft. Neueste Gaskraftwerke erreichen mehr, jedoch kaum einmal 60%. Und das nur, wenn sie die Abwärme für Fernwärme oder zum Betrieb des Kraftwerks selbst nutzen.

Und das ist noch nicht alles. Denn sowohl bei der Produktion oder der Förderung der Rohstoffe, auf ihrem Weg zum Kraftwerk, so wie bei dem Stromtransport zum Verbraucher geht nochmals Energie verloren. Fossile Kraftwerke weitab von Städten sind aus energetischer wie umwelttechnischer Sicht daher für die Stromerzeugung eine ziemlich schlechte Wahl. Nuklearkraftwerke schneiden bei der Produktion zwar besser ab, und produzieren während der Energieerzeugung auch kein Kohlendioxid. Sie erzeugen jedoch radioaktive Isotope, deren Behandlung chemisch problematisch bleibt, und mindestens sehr hohe Folgekosten mit sich bringt.
Aber wie bei Kohle, Gas und Erdöl handelt es sich auch bei der Atomspaltung um einen thermischen Prozess.

Der Carnot-Wirkungsgrad

Und all diese Prozesse haben noch ein ganz anderes Problem. Das erkannte der französische Wissenschaftler  Nicolas Léonard Sadi Carnot, als er die Thoerie eines idealen thermischen Umwandlungsprozesses entwarf. Er bewies, dass der maximale Wirkungsgrad dabei allein durch seinen Temperaturunterschied definiert wird. Da dieser schon aus Materialgründen nicht allzu groß werden kann, müssen thermische Energieumwandlungen, wenn möglich, immer vermieden werden.
Denn die Gesamt-Wirkungsgrade sind ein wichtiger Kennwert für die Energiewende, zumal bei der absehbar knappen Stromerzeugung aus regenerativen und CO2 neutralen Energieträgern.

Und das gilt so natürlich auch für den Verbrennungsmotor, wie er heute millionenfach auf unseren Straßen fährt. Sein Gesamtwirkungsgrad – also das Verhältnis von eingesetzter (Kraftstoff-)Energie und der damit produzierten Arbeit – liegt nur zwischen 15 und 20%. Und das berücksichtigt weder den Energieeinsatz für Herstellung und Transport.

Das Bauhaus Luftfahrt, eine Forschungseinrichtung der IABG in Ottobrunn bei München, hat im Jahr 2019 einmal die Gesamt-Wirkungsgrade der verschiedenen Antriebsoptionen für PKWs gegenüber gestellt (siehe Grafik oben), und dabei die Produktion von 100% regenerativem Strom vorausgesetzt. Danach unterscheiden sich aus katalytischen Prozessen erzeugte e-fuels im Gesamtwirkungsgrad etwa um den Faktor 2 zum Wasserstoff, ermöglicht so den Betrieb bisheriger Antriebssysteme wie Benzin- oder Dieselmotoren. Eine Brennstoffzelle ist hier schon deutlich im Vorteil – sie verdoppelt die Effizienz der eingesetzten Energie. Aber sie bedeutet auch die Anschaffung neuer Fahrzeuge.

Der große Vorteil des BEV aber wird deutlich, wenn man den Wasserstoffantrieb mit einem reinen Batterieauto vergleicht: der Einsatz von noch über lange Jahre knappem Strom aus regenerativen Energien kann so um den Faktor 3 reduziert werden. Und das liegt an einem wesentlichen Unterschied: regenerativ erzeugter Strom wird maximal einmal thermisch gewandelt – der Carnot-Wirkungsgrad begrenzt die Effizienz also insgesamt kaum. Und genau deshalb ist der Battrieantrieb für viele Automobilhersteller, aber auch in der Politik die erste Wahl bei der Umstellung auf CO2-neutrale Energien. Denn allein der Autoverkehr ist heute zu etwa einem Drittel für die globalen Emissionen verantwortlich.

Plakativ ausgedrückt: Wasserstoffantriebe verdreifachen den Bedarf an regenerativ erzeugtem Strom im Verkehrssektor. Und selbst wenn alle heute in Deutschland fahrenden Autos bei ihrer jetzigen Kilometerleistung mit Batteriestrom betrieben würden, und dieser Strom noch zu 100% aus Kohlekraftwerken stammte, wäre der CO2 Ausstoss durch diese Autos signifikant kleiner als er heute ist.

Kann Wasserstoff also wirklich eine Alternative sein? Natürlich: denn einerseits wird sein Nachteil immer kleiner, je mehr Personen oder Güter wir transportieren möchten. Andererseits gibt es bei Langstreckenflugzeugen und Schiffen keine Möglichkeit, auf einer langen Fahrt irgendwo Strom zu laden.

Druckunterschiede für den Einsatz von Gasen werden allerdings bei Langstreckenflugzeugen zum Problem. Daher überlegt man hier, die oben schon erwähnten e-fuels einzusetzen. Sie würden nicht nur den Weiterbetrieb der jetzigen Flotten ermöglichen, man könnte den umweltfreundlichen Treibstoff dann auch jederzeit jetzigem Kerosin beimischen, und so möglicherweise deutlich schneller das Ziel eines CO2 neutralen Fliegens erreichen.

Das Problem: die Herstellung dieser Treibstoffe erfordert zusätzlich zum hohen Energieeinsatz eine Kapazität in der Produktion, die aus heutiger Sicht rein faktisch kaum erreichbar erscheint: Die größte Wasserstoffproduktionsanlage der Welt würde nur den Jahresbedarf von etwa 100.000 deutschen Autos decken können. Wollen wir wirklich 500 solcher Anlagen allein für den deutschen Bedarf bauen? Ein modernes Schiff, dass für den Transport von Wasserstoff gebaut wurde, transportiert gar nur den Jahresbedarf von etwa 100 Autos. Und die größte Anlagen für die Produktion von e-fuels sind erst in der Versuchsphase.

CO2 Neutralität zu erreichen, ist eine Aufgabe für Generationen. Erst die immer schneller steigenden Temperaturen auf der Erde haben vielen die Dringlichkeit der Aufgabe vor Augen geführt. Der Wirkungsgrad bei der Energieerzeugung ist dabei ein wichtiger Schlüssel zur Lösung.

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